Unter dem Titel „Wohnen und Arbeiten auf dem Unteren Hardthof“ haben sich im Sommersemester Architekturstudierende im Fach „Entwerfen“ am Fachbereich Bauwesen der THM mit einem Kleinod Gießens beschäftigt. Die von Prof. Dr. Bartosz Czempiel gestellte Frage war, wie das bestehende, denkmalgeschützte Industriekultur-Ensemble unterhalb des Evangelischen Krankenhauses fiktiv weiterentwickelt werden kann. „Der Untere Hardthof ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie sich in altem, seinerzeit ungenutztem Gemäuer, modernes Wohnen und Arbeiten verwirklichen lässt“, sagt Czempiel. Seine Studierenden sollten in ihrem zu visualisierenden Gedankenspiel Erfahrungen aus zwei Jahren Corona-Pandemie einfließen lassen.
Der Hardthof bildet die Überreste der ehemaligen Brauerei Textor/Bichler. Einst als Ausflugsziel im Umfeld der Brauerei konzipiert, verfiel das Gebiet nach Ende des Ersten Weltkrieges zusehends. Als die Pläne für das nahe Krankenhaus in den 1970er Jahren beinahe das Aus für das historische Ensemble bedeuteten, machten sich Künstler und Kulturschaffende an den Erhalt der Bausubstanz und an eine neue Art der Nutzung aus Wohnen und Arbeiten. Heute sind dort Kanzleien, Bewegungsangebote, Kunst und Kinderbetreuung anzufinden, verbunden mit Wohnraum. „Wir wollten diesen kleinen Kosmos um die Dimension Home-Office erweitern“, erklärt Czempiel. Denn die Anforderungen für Wohn- und Arbeitsbereiche änderten sich, wenn sich die Beziehung vom Wohnen zum Arbeiten ändere.
Die fiktive Entwurfsaufgabe befasste sich im ersten Teil mit der Ausarbeitung einer städtebaulichen Konzeption für die Erweiterung des „Unteren Hardthofs“. Im zweiten Teil wurde dieser Entwurf auf hochbaulicher und architektonischer Ebene vertieft. Kern war die behutsame Weiterentwicklung des denkmalgeschützten Ensembles. Die Analyse der typischen Charakteristika des Bestandes bildete die Grundlage. „Charakter und Atmosphäre sollten unbedingt erhalten bleiben“, sagt der Professor. Die besondere Herausforderung bestand darin, im ersten Schritt die besonderen Charakteristika des denkmalgeschützten Ensembles nicht nur zu sehen, sondern zu begreifen und weiterzudenken, um im Anschluss daran städtebauliche und architektonische Konzepte für eine behutsame Erweiterung des Bestands zu entwickeln.
Entstehen sollte ein „Dorf“, in dem qualitatives Wohnen in Verbindung mit modernen Arbeitsplätzen im Vordergrund steht – ein Quartier, in dem kommunikative und kreative Prozesse gefördert werden. Kleinere, private Arbeitsbereiche für jede Wohnpartei und größere, offene Coworking-Bereiche und Ateliers stellten mögliche Szenarien für das künftige Arbeitsumfeld eines neu zu planenden Wohnkomplexes am „Unteren Hardthof“ dar. Insgesamt sollten rund 3150 Quadratmeter Nettowohnfläche mit Zwei- und Vierzimmerwohnungen beplant werden, die sowohl teilbar wie auch zusammenschaltbar sind. Ergänzend sollten Gemeinschafts-, Keller- und Haustechnikräume hinzugeplant werden, ebenso wie eine verhältnismäßig große Zahl an Rad- bei nur wenigen Fahrzeugstellplätzen.
Die Arbeiten waren Anfang Oktober auch für einige Tage in der Galerie am Unteren Hardthof zu sehen. Dabei überzeugte die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung sowohl die hohe Qualität der Entwürfe und Visualisierungen, als auch die große Variantenvielfalt der studentischen Arbeiten.