Der Unicabruch bei Villmar ist ein bedeutender, von 1896 bis 1961 genutzter Marmorsteinbruch am westlichen Lahnufer. Heute ist der ehemalige Bruch ein GeoTop des Nationalen Geoparks Westerwald-Lahn-Taunus.
Die Landmasse, die heute die Lahnregion bildet, lag vor 380 Mio. Jahren – im Zeitalter des Mitteldevon – ca. 20° Grad südlich des Äquators in einem warmen Meer. Sonneneinstrahlung, warmes Wasser und untermeerische vulkanische Aktivitäten schufen die Voraussetzung dafür, dass sich Riffe bilden konnten, ähnlich den uns bekannten Riffen des Great Barrier Reefs vor der Nordostküste Australiens. Hauptriffbildner waren Stromatoporen, die zu den Schwämmen zählen, und Korallen. Riffe lassen sich grundsätzlich in drei Bereiche einteilen: Während im Vorriffbereich das Meer anbrandet, ist der Hauptriffbereich relativ vor der Energie der Wellen geschützt. Der Rückriffbereich ist gekennzeichnet durch flaches Wasser und die Bildung von Lagunen. Noch heute lassen sich diese verschiedenen Riffzonen im devonischen Kalkstein nachvollziehen. Während der Vorriffkalk durch Bruchstücke von Stromatoporen, Korallen und den weiteren Riffbildnern, wie z. B. Seelilien, gekennzeichnet ist, finden sich bei den Kalksteinen des Hauptriffbereichs nahezu ungestörte, gewachsene Strukturen. Die Gesteine des Rückriffbereichs sind sehr feinkörnig und gleichmäßig.
Im Laufe der Erdgeschichte driftete die Landmasse mit ihren maritimen Ablagerungen bis zur heutigen Lage ca. 50° nördlich des Äquators. Zwischenzeitlich entstandene Gebirge, vergleichbar mit den Alpen, verbunden mit vulkanischen Aktivitäten führten zu einer hohen Verdichtung des Materials und damit zur Bildung von Riffkalkstein, der in der Lahnregion eine Stärke von mehreren hundert Metern erreicht. Diesem Kalkstein fehlt aus Sicht der Geologie ein metamorpher Prozess, um diesen als Marmor im geologischen Sinne – wie beispielsweise der Carraramarmor – bezeichnen zu können. Aber gerade dieser nicht vollzogene Umwandlungsprozess macht den Reiz des Lahnmarmors aus, da die versteinerten Kalkbestandteile der Lebewesen noch heute deutlich zu erkennen sind – die Entstehungsgeschichte der mitteldevonischen Riffe und damit des Lahnmarmors kann aus dem Stein gelesen werden. Während Geologen beim Lahnmarmor nur von Kalkstein sprechen, verwenden Steinmetze den Begriff „Marmor“, da von ihnen jeder polierfähige Kalkstein als Marmor angesehen wird.
In Villmar findet sich auf der rechten Lahnseite 380 Meter hinter dem Lahn-Marmor-Museum der Aufschluss „Unica-Bruch“, der mit einer glattgesägten und geschliffenen Wand einen weltweit einmaligen Einblick in ein mitteldevonisches Stromatoporenriff in Lebendstellung bietet.
Zu erkennen sind neben den Stromatoporen und Korallen auch Seelilien, Kopffüßler, Schnecken sowie Brachiopoden, deren Wachstum durch den hohen Kalkgehalt des Devonmeeres begünstigt wurde. Aus dem Devonmeer stiegen die ersten Wirbeltiere an Land; seine Temperatur konservieren wir bis heute in unserem Blutkreislauf. Dem Betrachter des Lahnmarmors bietet sich ein buntes Bild, bei dem Phasen des Wachstums und Störungsphasen – beispielsweise verursacht durch Tsunamis – abwechseln. Der Lahnmarmor ist für sein breites Farbenspektrum bekannt. So ist das Rot in seinen vielen Schattierungen auf Vulkanismus zurückzuführen: Eisenhaltiges Wasser aus vulkanischen Quellen floss über Riffe und Sedimente, sickerte in Risse und Spalten, setzte Hämatit ab und hinterließ in dem an sich weißen Kalkstein das Rot oxydierten Eisens in allen Nuancen. Schwarz- und Grautöne entstanden, wo sich dunkler Ton mit dem Kalk absetzte oder wo Kohlenstoff, beispielsweise aus den Lagunen des Rückriffs, in den Kalkstein eindrang. Gelb- und Ockertöne entstanden aus Limonit (Brauneisenstein). Im Natur- und Kulturdenkmal Unica-Bruch in Villmar kann man in die Zeit vor 380 Mio. Jahren zurückblicken, als marine tropische Korallen und Schwammriffe das Material bildeten, das im letzten Jahrhundert als Lahnmarmor Weltruhm erlangte und weltweit verbaut wurde.
Entdeckt und abgebaut wurde der Lahnmarmor nach bisheriger Meinung seit dem 16. Jahrhundert. In der rund 400-jährigen Abbaugeschichte entstanden zwischen Wetzlar und Balduinstein über 100 Marmorbrüche. Von 1896 bis 1961 wurde die Varietät Unica in Villmar abgebaut. Ein schönes Verwendungsbeispiel sind die Säulen im Treppenhaus der Kaisertreppe im Berliner Dom (erbaut 1893-1905).
Die Entstehung eines Stromatoporen-Riffs im Devonmeer ist nirgends in der Welt so klar zu sehen wie im Unica-Bruch in Villmar. Der Aufschluss im Villmarer Unica-Bruch – eine in zwei Terrassen gegliederte, etwa 6 Meter hohe, 15 Meter breite, gesägte Wand – gilt als ein sehr seltenes, vielleicht in der ganzen Welt sogar einmaliges Zeugnis der Entwicklung eines Stromatoporen-Riffs. Vergleichbare Aufschlüsse finden sich in Kanada und Australien.
Vor diesem Hintergrund wurde der Villmarer Aufschluss 1998 zum Naturdenkmal erklärt und 2005 mit den Prädikaten „Nationales Geotop“ des Nationalen Geoparks Westerwald-Lahn-Taunus und „Planet Erde – Welt der Geowissenschaften“ ausgezeichnet. Damit zählt der Aufschluss zu den bedeutenden 77 Geotopen in Deutschland, hiervon befinden sich vier in Hessen.
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