Der Hauptbahnhof von Gießen wurde in drei Bauphasen errichtet. Bauherrin war die Königliche Eisenbahndirektion in Frankfurt, als Architekt war Ludwig Hofmann aus Herborn beauftragt worden. Unter Verwendung einiger Teile des Vorgängerbaus, war die zweite Bauphase in den Jahren von 1904 bis 1906. Bereits 1910 wurden erste Veränderungen am Bahnhof vorgenommen: Nord- und Südflügel wurden erweitert und der Fürstenbau errichtet. Das größere Gebäude war notwendig geworden, als der 1853/54 erbaute Main-Weser-Bahnhof, durch die Vereinigung der drei in Gießen vertretenen Eisenbahngesellschaften unter preußischem Besitz 1897, zu klein geworden war.
Besonders auffällig an dem wilhelminischen Gebäudeensemble sind die dunkelroten Sandsteinquader und der Einfluss des Darmstädter Jugendstils mit byzantinisch-romanischen Gestaltungselementen. Der monumental erscheinende, am Sakralbau orientierte Bau – beispielhaft sei die basilikale Grundgestalt des Empfangsgebäudes genannt – stellt bis heute einen Orientierungspunkt im Stadtbild dar. Der Gießener Hauptbahnhof zeichnet sich durch viele, handwerklich sorgfältig herausgearbeitete Details aus. Beispiele sind unter anderem der figural gestaltete Skulpturalschmuck oder auch die gusseisernen Säulen der Bahnsteige. Einige Teile des ursprünglichen Baus, wie zum Beispiel der Fürstenbau, sind heute nicht mehr vorhanden. Der Bahnhof steht wegen seiner hohen künstlerischen Qualität und aus städtebaulichen und verkehrsgeschichtlichen Gründen als Sachgesamtheit einschließlich sämtlicher historischer Nebengebäude unter Denkmalschutz (Kulturdenkmal).
Viele Male war der Gießener Bahnhof Ort und Schauplatz historischer Ereignisse. Am 04.09.1862 allerdings rauschte die Geschichte regelrecht an ihm vorbei. In einem Sonderzug war die englische Königin Victoria unterwegs zu einem Verwandtenbesuch in Deutschland. Ihr Mann war kaum ein Jahr zuvor verstorben und die Monarchin in tiefer Trauer. Weil sie nicht gestört werden wollte, erging in der Verwaltung der Main-Weser-Bahn die Anordnung, die Königin „habe sich allen Empfang […] verbeten und will während der Fahrt in Ihrem Bette bleiben.“ Zudem habe der „Lokomotivführer „den Gebrauch der Dampfeife auf wirklich nöthige Fälle zu beschränken.“
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